ludwigsfelde
8°
Überwiegend bewölkt
78% Luftfeuchtigkeit
Wind: 2m/s SSW
MAX C 10 • MIN C 7
3°
FR
9°
SA
10°
SO
13°
MO
16°
DI
Wetter von OpenWeatherMap
Öffnungszeiten Bürgerservice
Montag
geschlossen
Dienstag
09:00 – 12:00 Uhr & 13:00 – 18:00 Uhr
Mittwoch
09:00 – 12:00 Uhr
Donnerstag
09:00 – 12:00 Uhr & 13:00 – 18:00 Uhr
Freitag
09:00 – 12:00 Uhr

Jeden 1. und 3. Samstag
von 09:00 – 13:00 Uhr
Kontaktdaten
Rathausstraße 3

„Sie dürfen alles anfassen“

Dienstag, 30.04.2019

SHG „Blinde und Sehbehinderte“ besuchte besondere Führung im Hans-Otto-Theater

Ein Theaterbesuch ist immer etwas Besonderes – und ein Blick hinter die Kulissen erst recht. Seit vielen Jahren bietet das Potsdamer Hans-Otto-Theater Theaterführungen an. Seit 1996 gibt es diese sogar (neben Vorstellungen mit Gebärdensprache) für Gehörlose. Was aber ist mit sehbehinderten oder blinden Menschen? Wie könnten diese das Theater begreifen (im wahrsten Sinne des Wortes)?

Diese Frage stellte sich Dramaturgie-Sekretärin Kerstin Walter, die selbst hochgradig kurzsichtig ist und beschloss, die faszinierende Welt des Schauspiels eben jenen zu erschließen. Die Hausleitung des Hans-Otto-Theaters begrüßte diese Initiative und so erkundet sie regelmäßig mit seheingeschränkten Menschen „ihr Haus“.

Die Ludwigsfelder Selbsthilfegruppe „Blinde und Sehbehinderte“ durfte im April, die Idee kam von Familie Scherz (Dankeschön dafürJ), so eine Führung erleben. Zu Beginn konnten die Gäste im Foyer des Theaters an einem Modell die Architektur des Hauses ertasten. Danach ging es weiter in den Zuschauerraum, dessen sehr funktionell gestaltete Stuhlreihen herausnehmbar sind.

„Das HOT (Abkürzung für Hans-Otto-Theater) gehört der Stadt Potsdam und der Saal wird auch für Konferenzen und als Ballsaal genutzt, da ist es wichtig, dass sich die Bestuhlung schnell entfernen oder umbauen lässt“, erklärte Kerstin Walter. Auf der 16 m breiten und 15 m tiefen Bühne wurde gerade das Bühnenbild für das Stück „Der Schimmelreiter“, nach einer Novelle von Theodor Storm, aufgebaut.

Die Bühnenarbeiter brauchen Muskeln, um die oft schweren Bühnenteile zu transportieren und zusammenzufügen. Bohrgeräusche und hämmern klang durch den Bühnenraumund begleitete die Besucher bis hinauf in den hohen Bühnenturm. Auf der Technik-Brücke konnte man sie nur noch von fern hören. Dafür lernten die Ludwigsfelder nun die Arbeitsräume kennen, wo die Zauberwelt des Theaters erst erschaffen wird.

„Überall riecht es anders“, bemerkten sie, als am Kostüm-Fundus (meterlange Gänge mit Hunderten von Hosen, Röcken und Oberteilen, Stiefel neben zarten Pantöffelchen usw.) angehalten wurde. Engelsflügel und Taucheranzug warteten neben einigen anderen Kostümteilen schon auf die Sehbehinderten. „Sie dürfen alles anfassen, denn das hat eine Kollegin extra für Sie zusammengestellt“, lud die Gastgeberin ein und schon wurden Stoffe betastet und nach Farben gefragt.

Weiter ging es in den Mal-Saal, wo gerade die „Spielbrücke“ für das Sommertheater gebaut wurde. Es duftete nach frischer Farbe und Papier – auch hier durfte alles berührt werden und Frau Walter achtete darauf, dass alle sicher durch den großen Raum kamen. Besonders interessant wurde es dort, wo bereits ein Pirat neben einem Grizzlybären wartete.  Ein riesiger Elefantenkopf hing an einer Wand und einige Menschen-Köpfe ohne Körper ließen leichten Grusel aufkommen.

Die Tatsache, dass all dies von einer einzigen Mitarbeiterin angefertigt wird, löste bei allen ein respektvolles Staunen aus. Die „Maske“ war der letzte Anlaufpunkt und in vieler Hinsicht der spannendste. Der Duft nach Schminke, viele Perücken (und auch „Glatzen“ aus Latex) die verschiedensten Tönungen für den Teint der Darsteller usw. verzauberten besonders die Damen. Es gibt für jeden Darsteller einen „Holzkopf“ auf dem die neuen Perücken für die jeweilige Rolle geknüpft werden und eine schrittweise Schminkanleitung für alle Rollen. Besonderes Fingerspitzengefühl brauchte man für die Blutkissen (fassen sich ganz weich an, wie ein Waschmittel-Tab).

Am Ende bedankte sich die Ludwigsfelder Selbsthilfegruppe sehr herzlich bei Kerstin Walter und nahm in der Theaterkantine noch einen kleinen Imbiss ein. Da den Gästen dort die sympathische und engagierte „Theater-Frau“ noch einmal begegnete, endete der interessante Tag mit angeregten Gesprächen. Die Mitglieder der SHG „Blinde und Sehbehinderte“ Ludwigsfelde bedanken sich von ganzem Herzen bei Kerstin Walter, die ihnen einen unvergesslichen Besuch im Potsdamer „Musentempel“ beschert hat.

M.R.